KFOR und Autotuning

Es ist Erholungszeit Sonntags früh im Feldlager Prizren. Trotzdem empfangen mich Presseoffizierin Christiane Perthel und ihr Nachfolger pünktlich um 08:45 Uhr am Kasernentor, um mich zum Gespräch mit dem Kommandeur zu begleiten. Für Soldaten im Einsatz gibt es kein dienstfrei, lediglich sonntags gewährt der Dienstherr ein bißchen Ruhe. Das Camp wirkt wie ausgestorben. Das liegt nicht nur am Tag, sondern auch daran, dass hier nur noch etwa 450 deutsche und insgesamt ca. 660 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst tun. Zu Hochzeiten bevölkerten bis zu 3000 Männer und Frauen das Lager. Der Kommandeur des 43. Deutschen Einsatzkontingents KFOR, Oberst Hans-Jürgen Freiherr von Keyserlingk, empfängt mich in seinem Büro im Stabsgebäude. Es ist sein dritter Einsatz im Land, er war 2004 und 2014 schon einmal hier. Mich interessiert wie er die Entwicklung des Kosovo bewertet. „Es hätte mehr Fortschritt geben können“, sagt er, immerhin sei das interethnische Thema heute weitestgehend Vergangenheit. Trotzdem gebe es nach wie vor Probleme mit der Energieversorgung, dem Müll, dem Umweltschutz. Wichtig ist, betont er, dass die Leute heute in Frieden leben können. Dafür sei die Bevölkerung des Kosovo den KFOR-Truppen immer noch dankbar. Warum er den Einsatz der Bundeswehr dann noch für wichtig hält? „Stellen Sie sich die Frage nach der sicherheitspolitischen Relevanz des Kosovo für Deutschland“ antwortet er, und dies sei seine persönliche Meinung, „dann ist der Kosovo ein wichtiger strategischer Vorhof für uns auf dem Balkan.“ Und diese Stellung würde er nicht leichtfertig aufgeben: Schließlich biete der Kosovo als hauptsächlich islamisch geprägtes Land auch Möglichkeiten zur Einflußnahme durch den IS. Die Flüchtlingskrise ist an der Region allerdings vorbeigezogen, berichtet der Oberst noch. „Wir waren vorbereitet auf eine mögliche Route der Flüchtlinge durch den Kosovo, doch das Thema ist am Land vorbei gegangen.“
Ich verabschiede mich, möchte am gleichen Tag noch die südliche Grenze Mazedoniens erreichen. Ich folge der Bistrica flußaufwärts. In Mushnikove hat die Polizei die Straße abgesperrt. Reiche Auslandskosovaren veranstalten jährlich ein Tuning-Autorennen über den dahinter liegenden Bergpass, um ihre tiefer gelegten Boliden zu testen. Ein Endzwanziger mit schweizerischem Zungenschlag erzählt mir von seinen drei Porsches. Ein bis zwei Stunden müsse ich wohl warten, erklärt er mir. Ich beschließe, die Zeit zu nutzen und mich in einem zum Auto- Waschplatz umfunktionierten Rohbau einzurichten. Die zwei Brüder welche die Autos für die wohlhabende Diaspora aus der Schweiz waschen, beäugen mich und das Motorrad neugierig. Ich zeige ihnen Bilder auf dem Laptop, wir trinken Cola. Was eine Autowäsche mit Innenreinigung in Deutschland koste, will der eine wissen. Sie bekommen zu zweit drei Euro dafür. Mit reichlich Verspätung erreiche ich gegen 20 Uhr Gevgelija in Mazedonien.