Irish Pub in Gaziantep

„Pass auf, gleich wirst Du einen Kulturschock kriegen!“, warnt mich Jesco, während wir uns vom Sicherheitsmann abscannen lassen. Wir sind auf dem Weg in ein Irish Pub in einem Einkaufszentrum von Gaziantep, um uns mit Michael und John, zwei Sicherheitsberatern von zwei NGO’s, auf ein Bier zu treffen. Vor uns tut sich eine Mischung aus türkischem Pomp und Irish Pub auf, in dem sich ein gemischtes Publikum aus der Hautevolee Gazianteps und Expats an Weizen vom Fass und anderen westlichen Kaltgetränken labt. Der gebürtige Mainzer Jesco ist seit einem guten dreiviertel Jahr Projektmanager für die Welthungerhilfe in Gaziantep. Vorher hat er längere Zeit in Palästina und in Simbabwe gearbeitet. Als ich ihn frage, ob man durch die langjährige Arbeit für die NGO’s nicht abstumpft, antwortet er: „Vorher würde ich aufhören, das ist sicher. Man muss schon mit Herzblut dabei sein!“
Laut UNHCR befinden sich momentan mehr als 4,8 Millionen Syrer auf der Flucht. Davon sind rund 2,7 Millionen in der Türkei registriert. In den offiziellen Flüchtlingslagern kommt nur ein Bruchteil unter, etwa 260 000 wurden dort im vergangenen Jahr gezählt. Der Rest lebt irgendwo außerhalb. Jesco schätzt, dass allein in der 1,5 Millionen Einwohner zählenden Stadt Gatiantep etwa 350 000 Syrer gestrandet sind. Im Zentrum ist von den Flüchtlingen aber vergleichsweise wenig zu spüren. Manchmal sieht man arabische Erklärungen an den Geschäften und manchmal hört man arabische Sprache auf der Straße, sonst wirkt die Stadt relativ entspannt. In den kleineren Ortschaften zwischen Adana und Antep (wie die meisten sagen), sind mir die heimatlosen Syrer viel mehr aufgefallen. An den Ortsrändern haben sich sich öfters kleine Zeltstädtchen gebaut. An einer Tankstelle versuche ich, mich auf Zeichensprache mit ein paar syrischen Männern zu unterhalten. Sie arbeiten – vermutlich schwarz – auf einer nahe gelegenen Baustelle, ist alles, was ich herausfinden kann.
In unserem Irish Pub wirkt die Flüchtlingskrise aber kaum noch greifbar. Deshalb nehme ich Jescos Angebot, am Montag eines seiner Field Teams zu begleiten, gerne an.