Elbeyli und Kilis

Ein bisschen stolz wirkt Litaf (36) schon, als er uns über sein frisch bepflanztes Feld führt. Fünf Jahre lang, seit der achtfache Vater über die Grenze gekommen ist, hat er sich als Lohnarbeiter für andere Bauern der Gegend verdingt. Nun hat er dank der Welthungerhilfe (WHH) endlich sein eigenes Feld. „Wir nennen es nach dem nahe gelegenen Dorf das Elbeyli-Projekt“, sagt Usame (31). Er betreut die rund 25 syrischen Familien, die etwa 20 Kilometer östlich der Stadt Kilis nun für ein Jahr ein rund 5000 Quadratmeter großes Feld inklusive Werkzeuge, Wassersystem und Saatgut finanziert bekommen. Das Ziel ist, dass die Flüchtlinge die Pacht in einem Jahr dank der ersten Erträge selbst übernehmen können. Auch Daud (40) ist einer der glücklichen Beneficiaries, wie die WHH sie nennt. Sein Feld liegt ironischerweise direkt hinter der befestigten Anlage aus Stacheldraht und Wachtürmen, hinter der sich eines der offiziellen türkischen Flüchtlingslager befindet. Wir sind keine vier Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Freilich wäre es leichter für Daoud gewesen, mit Frau und ebenfalls acht Kindern in eines der Camps zu ziehen. Dort gibt es genug zu essen, Schulen, Taschengeld. Doch unfrei und würdelos hinter Stacheldraht leben, das hat er abgelehnt. „In einigen Monaten ernten wir hier die ersten Paprika“, ruft er, während er mit Usame die Pflänzchen begutachtet.
Eine Stunde später sitzen wir beim Ortsvorsteher vom Stadtteil Kazimkarabekir der Stadt Kilis im Büro. In Zusammenarbeit mit Mehmet Polat (43) hat Usame von der WHH auch hier das E-Voucher-Programm (s.letzer Blogeintrag) eingeführt. Vor einigen Monaten hat der IS dann Raketen auf den Stadtteil geschossen. „Ich glaube ja, die Angriffe waren eine gezielte Aktion gegen das friedliche Zusammenleben von Syrern und Türken in unserer Stadt“, sagt Mehmet. Kilis hat etwa 130 000 Einwohner und hat schätzungsweise genau so viele Flüchtlinge aufgenommen. Wie sie mit der Situation während des Beschusses zurecht kamen, frage ich. „Die Raketen kamen am hellichten Tag aus dem Nichts geflogen. Eine landete sogar auf dem Dach meines Dienstwagen.“ erzählt er und lacht dabei, als wolle er den Ernst des Themas überspielen. Ein Dutzend Raketen gingen in Kazimkarabekir runter, dabei kamen zwei Türken und zwei Syrer ums Leben. Leider hatte der Beschuss auch zur Folge, dass manche der Anwohner die Anwesenheit der Syrer dafür verantwortlich machen. Es gab Proteste und Syrer wurden auf offener Straße angegangen. „Inzwischen gibt es keine Raketen mehr, und es ist alles wieder in bester Ordnung,“ betont Mehmet. Anscheinend hat die türkische Armee eine Art Raketenabwehrsystem installiert.