Zwei Grenzen an zwei Tagen

 

Ich komme gut voran auf dem Weg von Van in Richtung Georgien. Zwischen Igdir und Kars fahre ich einige Kilometer parallel zur armenischen Grenze. Die Tatsache, dass diese Grenze auf beiden Seiten komplett geschlossen ist, wirkt befremdlich auf mich. Wer vom einen in das andere Land möchte, muss grundsätzlich über ein Drittland reisen. Es dämmert bereits, als ich schließlich die georgische Grenze in den Bergen des Kleinen Kaukasus erreiche. Vor dem Abfertigungshaus lungern ein paar Grenzer herum. Einer ruft: „Germany?“ und fügt, als ich bejahe, hinzu: „Merkel very bad, you know!“. Nachdem ich das unkooperative Gehabe der türkischen Beamten hinter mich gebracht habe, stehe ich vorm georgischen Pendant: „First time in Georgia?“ Ich nicke und er lacht mich freundlich an und sagt: „Welcome to Georgia!“

Während ich die Kurven der neu geteerten Straße Richtung Landesinnere hinunter zirkele, spüre ich förmlich den Kontrast der zwei Länder. Die Dörfer auf beiden Seiten der Grenze dürften ähnlich arm sein. Auch in Georgien sieht man Autowracks, zerfallende Häuser, Straßenhunde. Und doch wirken die Menschen deutlich entspannter. Die Männer sitzen in den Straßencafes beisammen, trinken Bier und spielen Brettspiele. Die Frauen stehen schäkernd in Grüppchen am Straßenrand, natürlich unverschleiert. Die Schwermütigkeit über Kurdistan wird angesichts dieses Kontrastes noch deutlicher. Ich übernachte in Bordschomi, einem Ferienort. Am nächsten Morgen zeigt sich mir die ganze landschaftliche Schönheit der Gegend. Natürlich hat ehemaliges Väterchen Russland auch hier jede Menge Spuren hinerlassen. Regelmäßig stehen ausgesonderte Kamaz oder Gaz Militärjeeps am Straßenrand, die Männer laufen gerne in Tarnklamotten herum. Doch die Landschaft und das Flair wirkend sehr sympathisch auf mich. Ich beschließe, Georgien später im Leben noch eine eigene Reise zu widmen, lasse Tiflis deshalb seitlich liegen und fahre direkt in Richtung „georgischer Heerstraße“ auf Russland zu. Der „große Kaukasus“ bietet regelrechtes Alpenflair. Die Straße schraubt sich mit jeder Menge Spitzkehren auf 2500 Meter hoch, über mir fliegen Paraglider, links und rechts weiden die Kühe. Als ich gerade so vor mich hinträume, holt mich Joachim, ein mir entgegenkommender Motorradfahrer, zurück in die Realität. Andere Biker sind so selten zu sehen, dass wir auf einen Plausch anhalten. „20 Stunden Wartezeit an der russischen Grenze“, berichtet er. Runterwärts war es wohl nicht ganz so schlimm, doch für mich sieht es schlecht aus. Gegen Joachim bin ich regelrecht grün hinter den Ohren. Er scheint seit Jahren durch die Welt zu touren, ist vor Weihnachten in Australien aufgebrochen. Aufschieben hilft nichts, ich fahre, ohne anzuhalten, zur Grenze, direkt hinein ins Chaos. Zwei Stunden später stehe ich im Dunkeln in einem unbeleuchteten Tunnel im Niemandsland und bin umgeben von Autos und Lastwagen. Anfangs konnte ich mich noch vorbeischlängeln, doch hier im Tunnel ist es so eng, dass nichts mehr geht. Es wird gerufen und gehupt, dazwischen laufen Fußgänger herum und überall liegt Müll. Wann immer es geht, nutze ich die Chance, wieder ein paar Meter vorbei zu kommen. Am Ende des Tunnels, als ich endlich wieder Luft bekomme, sind ein Autofahrer und ein Soldat, der versucht den Verkehr zu regeln, kurz davor die Fäuste zu schwingen. Die beiden brüllen sich mit hochroten Köpfen derart an, dass einem Angst und Bange werden könnte. Nach fünf Stunden habe ich es dank konstantem Vorbeischlängeln geschafft. Das kyrillische Zollpapier habe ich mit einer Vorlage von Joachim auch richtig ausgefüllt. In Vladikavkas suche ich mir – fix und fertig – ein Hotel.

 

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