Schiffsfriedhof

Die Sonne brennt unerbittlich, um mich herum höre ich nichts außer dem in der Hitze knackenden Metall des Schiffswracks. Der heiße Wind wirbelt hin und wieder etwas Sand auf, aus der Ferne betrachten mich ein paar Kamele skeptisch. Von Pen hatte ich die Koordinaten zu einem der Schiffsfriedhöfe auf dem Gebiet des ausgetrockneten Aralsees erhalten. Als ich mir die Strecke auf dem Navi ansehe, scheint mir ein kleiner Abstecher vor meiner Weiterreise nach Qysylorda durchaus realistisch. Erst knapp 70 KIlometer Schotterweg in Richtung Zahlanasch, dann noch einige Kilometer Offroad. Mittags sollte ich zurück in Aralsk sein. Ich breche früh morgens mit etwas Kopfschmerzen von der vorherigen Nacht und ohne Frühstück auf. Ich habe ja Kekse dabei. Auf dem Schotter lasse ich es laufen, genieße bei 90 Stundenkilometer das Ralley-Gefühl. Die Spur bis zum Schiffswrack ist zwar schon etwas versandet, einmal muss ich das Motorrad neu ausrichten, sonst aber kein Problem. Nun stehe ich unter dem Wrack, das interessant aber auch gruselig anmutet. Fast wie aus einer Szene bei MadMax. Ich schieße ein paar Fotos, stelle mir vor, wie es wohl gewesen sein muss, als hier noch munter die Fische schwammen und Schiffe von dieser Größe fahren konnten. Im Gras liegen alte Fischernetze. Unter dem Wrack stinkt es ziemlich nach Kamel. Sie haben hier den einzigen Schattenplatz weit und breit für sich entdeckt.
Die Fahrspur auf der ich her gekommen bin, führt noch weiter um die nächste Anhöhe herum. Laut der Karte müsste dahinter irgendwo der noch übrig gebliebene Rest vom See beginnen. Ich beschließe, dem Pfad zu folgen. Ein Bad im Aralsee wäre schone etwas. Der Weg wird sandiger und ich merke, wie meine Straßenreifen immer wieder schlingern und durchdrehen. Ich fahre trotzdem weiter, umdrehen kann ich in der tiefen Fahrspur sowieso nicht mehr. Nach einiger Zeit kommt mir das einzige Fahrzeug des Vormittags entgegen. Ein alter russischer Allrad-Jeep, drinnen sitzen ein paar Jugendliche. Ich komme aus der Spur nicht heraus, kann nicht ausweichen. Der Fahrer stößt zurück und lotst mich in eine Fahrspur die zur Seite führt. Natürlich wollen die Jungs wissen, was ich hier will. Ich deute fragend in Richtung der Anhöhe, der Teenager macht Schwimmbewegungen und nickt. Ich scheine auf dem richtigen Weg zu sein. Erst als die Kasachen bereits abfahren, wird mir klar, dass ich durch das Ausweichen in ein Sandloch geraten bin. Mein Hinterrad gräbt sich beim Anfahren tiefer und tiefer ein. Die Kasachen sind bereits außer Sichtweite, mir bleibt nichts übrig als mich alleine heraus zu manövieren. Ich schnalle das Gepäck ab, und grabe mit den Händen das Hinterrad aus. Nach 20 Minuten steht das 260 Kilogramm schwere Motorrad wieder in der Spur, und ich bin schweißgebadet. Der Weg wird allerdings immer schlimmer. Ich verliere die Kontrolle und stürze. Das Tückische ist, dass man im Sand Vollgas geben muss, um das Motorrad vor dem Einsinken zu bewahren. Immer wieder grabe ich das Motorrad aus. Mich verlassen die Kräfte, auch habe ich nur noch einen Liter Wasser. Als ich ohne Helm und im T-Shirt stürze und auf dem Sandboden aufschlage, wird mir klar, dass ich umkehren muss. Bis jetzt hab ich nur blaue Flecken, doch sollte es schlimmer kommen, wird es Stunden dauern bis das nächste Fahrzeug vorbei kommt. Und ohne vernünftige Stollenreifen habe ich unter diesen Bedingungen keine Chance.
Einige Stunden später erreiche ich wieder das Schiffswrack. Auf dem Rückweg nach Aralsk bin ich dermaßen benommen, dass ich den Vogel gar nicht bemerke, den ich später aus meinem Fahrwerk ziehe. Am Motorrad ist soweit alles in Ordnung, einer der Zusatzscheinwerfer ist abgebrochen. Ich peppe mich mit ein paar Energy-Drinks auf, die 400 Kilometer nach Qysylorda lassen sich dagegen leicht herunterspulen. Als ich in der 720.000 Einwohner zählenden Stadt ankomme, gibt es Schaschlick und Bier. Ich spüre jeden Knochen.

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Auf dem Grund des ausgetrockneten Aralsees

Auf dem Grund des ausgetrockneten Aralsees

Auf dem Grund des ausgetrockneten Aralsees
wahnsinnig spannend der Schiffsfriedhof!! Hab deinen Artikel eben entdeckt, weil auch ich über verlassene Schiffe geschrieben habe, nur ganz anders. Lieben Gruß aus Athen!