Chorug und Bulunkul

Chorug kommt einem im Vergleich zu den letzten Orten gar wie eine Metropole vor. Es hat zirka 30000 Einwohner und stellt das kulturelle und administrative Zentrum von Berg-Badakhshan dar. Hier gibt es die einzige Universität der Gegend. Seit Kirgisistan sehe ich zum ersten mal eine Ampel. Ich übernachte in einem einfachen Hotel in der Innenstadt. Beim Frühstück komme ich mit Zubair und Shafic ins Gespräch. Die beiden sind Amerikaner und Schiitische Ismaeliten. Sie arbeiten hier in ihren Ferien an einem Projekt für die Agha Kahn Stiftung. Überhaupt gehören fast alle Bewohner Badhakshans dieser Religion an. Ihr religiöses Oberhaupt ist der Agha Kahn. Das erklärt auch warum die Frauen vergleichsweise figurbetont gekleidet sind und selten das Gesicht verhüllen. Das Kopftuch ist eher Tracht oder Schutz gegen die Sonne, als religiös bedingt. In Chorug werfen einem die vorbeilaufenden Frauen auch schon mal einen flirtenden Blick zu.

Die Aga Kahn Stiftung hat in Chorug ihre Spuren hinterlassen. Im Zentrum gibt es einen schön angelegten großen Park, an dessen Rand eine schicke Touristen-Information gebaut wurde ( http://www.visitpamirs.com/welcome-to-pamirs ). Beides finanziert durch Agha Kahn. Dort empfängt mich die bildhübsche 23jährige Safina. Sie spricht fließend Englisch und auch ein bisschen Deutsch. An der Chorug State University hat sie ihren Bachelor gemacht, seit dem arbeitet sie für die Tourismus Agentur. Sogar im Stuttgarter Globetrotter war sie schon mal, als die Region eine Marketing – Tour durch Deutschland veranstaltet hat. Und nicht ohne Erfolg. Während es 2015 noch 1500 Besucher im Infopunkt gab, stieg die Zahl 2016 auf 2500 Besucher an. Die Meisten davon Deutsche. „Das Jahr 2017 war bisher leider nicht so gut“ erklärt Safina mit Bedauern. „Die Nachricht, dass die Taliban auf der afghanischen Seite bis in die Nähe des Wakhan – Korridor vorgerückt sind, hat viele abgeschreckt. Dabei gab es auf der tadschikischen Seite nie Probleme.“ erklärt sie weiter. Als nächstes möchte Safina ihren Master machen, dann ihre eigene Tourismus-Agentur gründen. Einen Grundkurs als Bergführerin hat sie schon gemacht.

Ich will weiter und muss mich entscheiden. Entweder ich fahre zurück in Richtung Murgab und dann die Strecke die ich gekommen bin bis Osh. Oder ich nehme drei Tage Umweg über Dushanbe in Kauf und schaue mir noch den Rest Tadschikistans an.

Ich entscheide mich für erstere Variante, peile aber an nicht wieder in Murgab zu übernachten, sondern noch einen Abstecher an den Bulungul-See zu machen. Dort gibt es auch ein kleines Homestay welches mir Safina empfiehlt.

Ich unterhalte mich noch bei einem Eis mit Engländer George, der mit dem Fahrrad unterwegs ist, dann mache ich mich auf den Weg. Auf den ersten Kilometern zeigt mein Motorrad erste Ermüdungserscheinungen der letzten Tage. Erst verabschiedet sich mit einem Schlag mein in Almaty frisch montierter Schmutzfänger am Hinterrad, dann fällt mein Fußbremshebel auseinander. Das Geruckel der Pisten und Schlaglöcher ist auf Dauer wohl zu viel gewesen. Ich kann trotzdem weiter fahren und erreiche kurz vor Sonnenuntergang Bulunkul. Das Homestay wird von einer jungen sympathischen Familie betrieben, ich bin der einzige Gast im Ort. Die Mutter kocht mir frittierten Fisch aus dem nächst gelegenen See. Das beste Essen das ich seit Tagen bekommen habe. Als der Sohn einen Heulkrampf bekommt, den Grund kenne ich nicht, zeige ich ihm mein Motorrad und er darf mal Probesitzen und am Gas drehen. Am nächsten Morgen finde ich auf der Sitzbank zwei farbig angemalte Schafsknochen. Sein Spielzeug, welches der Kleine mir zum Dank schenken möchte. Der Vater lacht und meint ich solle sie als Andenken mit nach Deutschland nehmen.

Ich packe zusammen und möchte noch den See erkunden. Nach einer Weile komme ich wieder an einer heißen Quelle vorbei, an der die Frauen beim Waschen sind. Sie laden mich auf Chai ein, wir versuchen uns zu verständigen und machen Fotos. Schließlich packe ich meinen Polaroid-Drucker aus und verschenke ein paar Bilder, die Frauen sind entzückt. Anschließend fahre ich den ganzen Tag in Richtung Murgab und der Grenze von der ich gekommen bin. Der Ak-Baital Pass präsentiert sich diesmal bei schönstem Sonnenschein. Bis ganz zur Grenze wird es mir dann doch zu knapp und so verbringe ich meine letzte Nacht in Tadschikistan am Karakul-See.

Am nächsten Morgen möchte ich mir auf der kirgisischen Seite noch das Basecamp am Fuße des mit 7.134 Meter höchsten Bergs des Pamir, dem Pik Lenin ansehen. Es wird auch die CBT-Jurte genannt und ist ein Homestay. Um es zu erreichen, muss man etwa 40 Kilometer  offroad von der Haupstraße zurück in Richtung Pamir fahren. Ich verfranze mich völlig in dem Gewirr von Schmelzflüsschen und erreiche gut zwei Stunden später als geplant das Camp. Während der Fahrt stelle ich mir das Lager vor wie aus den Dokusendungen, gefüllt mit Typen wie Reinhold Messner. Als ich schließlich ankomme, sind die Jurten völlig leer gefegt. Es empfängt mich eine einzige ältere Kirgisin. Sie kocht mir freundlicherweise für ein paar Dollar Nudeln und Chai. Ich schwinge mich wieder aufs Motorrad und spule die letzten 250 Kilometer in Richtung Osh ab. Dort erreiche ich gegen Abend wieder die Pension von Nastia und Stas, wo ich mich die nächsten Tage erholen möchte.

 

Ein Kommentar zu “Chorug und Bulunkul

  1. Great that you’re back on the road again Martin! Gets me inspired for another trip 😉

    Fantastic photos – keep them coming!

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