Von Osh bis an den Son-Kul See

Ich verbringe drei Tage in Osh und nutze die Zeit, um Motorrad, Kleidung und mich selbst wieder auf Vordermann zu bringen. Die lauen Abende verbringe ich mit Nastia und Stas bei Bier und traditionellem usbekischen Plov im Innenhof der Pension. Die Beiden sind inzwischen mehr Freunde als Gastleute für mich geworden. Während sich beispielsweise in Kasachstan, Russen, Kasachen und andere Völker in friedlicher Koexistenz üben, sieht das in Kirgistan schon anders aus. Auch hier hat der Populismus Einzug gehalten. 2010 kam es zu schweren Unruhen zwischen Kirgisen und Usbeken, die hunderte Menschenleben gekostet haben. Viele Usbeken sind geschäftstüchtig und fleißig. Das gefällt nicht allen Kirgisen im Land, die in den Usbeken eine Konkurrenz am Arbeitsmarkt sehen. Der übrig gebliebene russische Teil der Bevölkerung versucht zwischen den beiden Volksgruppen sein Überleben zu sichern.  Auch Nastia und Stas überlegen, ihr Gästehaus aufzugeben und nach Russland zu gehen, obwohl beide hier geboren wurden.  Sie sorgen sich um die Zukunft und Ausbildung ihrer Kinder.

Ich muss leider wieder aufbrechen und entscheide mich für eine andere Route gen Norden als die über den Toktogul-See auf dem Hinweg. Johannes, ein Biker den ich auf dem Rückweg vom Pamir in Murgab getroffen habe, hatte mir zwar berichtet, dass die Offroad-Strecke über den Son-Kul See aufgrund von herab gegangenen Erdrutschen unpassierbar sei, mich reizt sie aber trotzdem und ich will mein Glück versuchen. Ich breche früh auf und während ich mich in Dschalalabad orientiere, hält Eric aus Frankreich neben mir an. Er hat das gleiche Motorrad wie ich, allerdings komplett auf seine Bedürfnisse umgebaut, und will auch zum Son-Kul See. Wir beschließen, zusammen zu fahren. Er stellt sich als exzellenter Fahrer heraus, ist früher Enduro-Rennen gefahren und hat sich die zweimonatige Reise in die Mongolei zu seinem Fünfzigsten geschenkt. In der Nähe von Montpellier arbeitet er momentan als Krankenpfleger, im ersten Leben war er Mechaniker. Endlich kann ich mich auch in schwierigeres Terrain vorwagen. Während ich die beiden atemberaubenden Pässe in Richtung Son-Kul in einer Mischung aus Adrenalin, Vergnügen und Anspannung bewältige, scheinen sie für Eric eher ein Spaziergang zu sein. Stets zwei Spitzkehren voraus, fehlt nur, dass er die Strecke noch auf dem Hinterrad fährt. Am Abend kehren wir in einem kleinen Homestay in Kasarman ein, bis zum See reicht es uns leider nicht mehr.

Dafür erreichen wir Son-Kul am nächsten Tag bereits gegen Mittag. Die kirgisische Landschaft unterscheidet sich deutlich vom Pamir. Hier in Kirgisistan regnet es deutlich mehr und es geht meist nur auf ca. 3000 – 4000 Meter hoch. Die Szenarien erinnern eher an die Alpen, mit saftigen grünen Wiesen. Das Ufer des Son-Kul See ist daher gespickt mit vielen kleinen Jurten-Camps der Bauern, die hier ihr Vieh weiden und nebenher ein Homestay betreiben. Wir beschließen, den Tag zu nutzen und den See offroad zu umrunden. Dabei geht es durch recht tiefe Gewässer, bis Erics Maschine bei einer Querung schließlich Wasser zieht. Es bleibt glücklicherweise beim kurzen Schock, wenige später springt das Motorrad weiß qualmend wieder an. Gegen Ende des Sees, als schon fast keine Jurten mehr zu sehen sind, tauchen doch noch vier kleine weiße Zelte im Tal rechts von uns auf. Kurz darauf stapfen uns Marina und Stephane durchs Gras entgegen. Die beiden Endzwanziger-Franzosen verbringen in Kirgisistan ihre Flitterwochen und haben am Vorabend eine kirgisische Hochzeitszeremonie im Camp nacherlebt.  Wir beschließen, ebenfalls bei der sympathischen Hirtenfamilie „einzuchecken“.

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