Mongolische Grenze, Ölgii und Olghii

Ich beschließe, den Sonntag nicht in Taschanta zu verbringen und fahre zurück Richtung Aktasch. Kurz davor biege ich in einem der unzähligen Pfade auf die Bergwiesen ab und genieße es, die Feld- und Waldwege völlig legal mit dem Motorrad entlang zu cruisen. Mittags treffe ich irgendwo an einem Bachlauf eine Familie, die mit dem klassischen Vaz-Jeep ein Sonntagspicknick macht. Ich will nicht stören und fahre in der anderen Richtung weiter. Gegen Abend mache ich mich wieder auf der 50 Kilometer langen, schnurgeraden Straße auf den Weg gen Taschanta. Am Montag Morgen wollen Bogdan, Vali und ich die Mongolische Grenze anggehen.

Im Hotel sind inzwischen vier Teams der sogenannten Mongol-Rallye angekommen. Zur jährlichen Rallye treffen sich rund 300 internationale Teams in London in alten Autos die weniger als 1200 Kubikzentimeter haben müssen, um anschließend damit in die Mongolei zu fahren. Dabei versuchen sie Sponsorengelder zu sammeln, die anschließend gespendet werden. Einige der Fahrzeuge sind mir auf dem Weg Richtung Grenze bereits aufgefallen. Die hauptsächlich irischen Teilnehmer der Teams in unserem Hotel scheinen das Ganze eher als Party-Tour zu sehen und und feieren ausgelassen in unserem Hotel. Während sie am Morgen in der langen Schlange vor der Grenze ihren Rausch im Auto ausschlafen und wir uns mit den Motorrädern daran vorbei schlängeln, fällt uns ein einzelner Motorrad-Fahrer auf, der ebenfalls brav in der Schlange wartet. Wir halten an und ich rufe durchs brummen unserer Motoren: „Do you speak English?!“. „Not so good“, antwortet er uns mit russischem Akzent. Es ist der 28-jährige Mischa aus Moskau, der mit seiner KTM ebenfalls die Mongolei erkunden und sich auf die historischen Spuren von Dschinghis Khan begeben will. „Come with us“, rufe ich, „you dont need to wait in the queue, if you are a biker!“ Kurz darauf, beweißt uns Mischa sogleich, wie hilfreich es ist, einen russischen Muttersprachler dabei zu haben. Als die Grenzsoldatin von uns verlangt, das ganze Gepäck ins Grenzhäuschen zu schleppen, bezirzt er die uniformierte Dame mit streng geflochtenem Pferdeschwanz, dass das doch nun wirklich nicht notwendig sei. Einige Kontrollen, Stempel und Kilometer später, gelangen wir schließlich an die mongolische Einreise. Hier herrscht völliges Chaos. Wir werden von Schalter zu Schalter geschickt, bekommen Zettelchen mit Nummern und Stempeln. Aus dem Wirrwarr heraus ertönt eine tiefe Stimme: „Zumindest einer von Euch kommt aus Stuttgart, oder?“ Es ist Temur, kasachischer Deutscher mit Wurzeln in der Mongolei. Er erklärt mir, dass er jedes Jahr zum Opferfest in die Mongolei fährt, er ist sogar mit dem Großmufti aus Ölgii zusammen im Auto unterwegs. „Der ganze Westen der Mongolei ist größtenteils von Kasachen besiedelt. Und die sind Muslime.“ erklärt er mir.

Schließlich sind zumindest Mischa und ich abgefertigt. Beim Visum von Vali und Bogdan gibt es jedoch Probleme. Mischa vermittelt und übersetzt fleißig. Da ich eh nicht helfen kann, beschließe ich bei den Mopeds zu warten. Ganze fünf Stunden dauert es, bis eine Lösung für die beiden gefunden ist. Ich habe in der Zwischenzeit gevespert, geschlafen und mich mit den beiden Hausziegen der Grenzposten angefreundet.

Als wir endlich mongolische Boden unter den Reifen haben, ist es schon später Nachmittag. Wir erreichen in der Dämmerung Ölgii und checken in einem einfachen Jurtencamp ein. Immerhin hat es das letzte Wlan für eine Weile.

Da wir nun zu viert sind, beschließen wir die mittlere der drei Routen durch die Mongolei zu nehmen. Hier gibt es wohl einiges an Offroad-Strecken, aber auch genügend ausgebaute Schotter- und Teerstraßen um zügig voran zu kommen. Zumindest die knapp 400 Kilometer nach Naranbulagh scheinen uns realistisch für eine Tagesetappe. Am Morgen rollen wir voller Elan und Tatendrang, vollgetankt und mit Essen ausgestattet, aus der Stadt. Die ersten Kilometer auf der ausgebauten Schotterstrecke fliegen wir nur so dahin, doch spätestens hinter Hovd beginnt die Strecke schmaler und sandiger zu werden. Fahrtechnisch haben wir uns aufgeteilt. Mischa und ich bilden die Spitze, Bogdan und Vali folgen meist einige Minuten hinter uns. Zwischen Hovd und Olghii verfransen wir uns schließlich völlig. Die endlose Weite des Landes, mit der Steppe, den Kamelen und der malerischen Landschaft sind zwar traumhaft anzusehen, machen es aber auch trotz GPS wahnsinnig schwierig, sich zu orientieren. Wir haben einen Abzweig der Fahrspur verpasst, müssen einige Kilometer auf der sandigen Strecke zurück. Es ist inzwischen Nachmittag und bei allen lässt die Konzentration nach. Als ich vorne auf den Rest der Truppe warte, dauert es etwas länger. Vali hat einen leichten Sturz auf der weichen Sandpiste. Zum Glück ohne weitere Schäden.

Die ganze Zeit bewegen wir uns zwischen 1200 und 2000 Höhenmetern. Zwischendurch kühlt es schon mal auf 10 Grad herunter, dann steigt das Thermometer in der Sonne wieder auf bis zu 25 Grad. Am frühen Abend erreichen wir völlig ausgezehrt und hungrig die paar Häuser des Ortes Olghii (nicht zu verwechseln mit Ölgii). Es gibt eine Art Restaurant, die Dame hinterm Tresen deutet auf ein Hinterzimmer mit einer größeren Pritsche, auf der wir schlafen könnten. Für umgerechnet 4 Dollar pro Person. Dusche gibt es keine, wir können uns aber im Hof mit Wasser aus einem Faß waschen. Die Toilette ist das in der Mongolei übliche „Loch im Boden“. Wir sind dennoch froh, etwas warmes zu Essen und ein Dach überm Kopf für die Nacht zu haben.

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