
Seit wir um 10 Uhr am Weißensee aufgebrochen sind, regnet es in Strömen. Bei teilweise unter 3 Grad Celsius beschließen wir, dass es uns heute einfach nur darauf ankommt anzukommen. Wenn sich das Wasser seinen Weg durch jede Naht der Kleidung sucht, erscheinen Landschaft und Szenerie unwichtig. Wir nehmen die Autobahn.
Obgleich an den Grenzen kontrolliert wird, geht es relativ entspannt zu. Auf der Gegenfahrbahn in Richtung Österreich erscheinen mir die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf den Grenzverkehr eher gering. An der kroatisch-slowenischen Grenze hat sich zwar eine recht große Schlange gebildet, jedoch ist Kroatien ohnehin noch nie Teil des Schengen-Raumes gewesen.
In Zagreb angekommen suchen wir uns ein Hotel, versuchen unsere klatschnaßen Sachen zu trocknen und machen uns auf den Weg in die Innenstadt. Sonntags und bei diesem Wetter ist die eher ausgestorben. In einer kleine Passage der Privredna Banka Zagreb macht sich Josip (37) bereit, auf seiner Klarinette zu spielen. Er ist in Zagreb geboren und hat das Instrument als Kind gelernt. Dreh- und Angelpunkt seines Lebens scheint das Medika zu sein, ein alternatives Kulturzentrum direkt hinter dem Westin Hotel. Hier betreibt er Filmworkshops für Jugendliche und finanziell schlechter gestellte Kreative. Die Klarinette hilft bei der Finanzierung. Im Medika hat wohl zwischenzeitlich auch schon manch ein Flüchtling Schutz gefunden. Josip macht noch eine abfällige Bemerkung über die „Verbrüderung“ der kroatischen und ungarischen Regierung in der Flüchtlingsfrage, dann fängt er an zu spielen.

Endlich ist es soweit. Die Reise, die ich nun seit über einem Jahr vor habe, ist begonnen. Wir wollen noch ein Abschiedsbild am Stuttgarter Schloßplatz machen, doch dort ist am Samstag früh jede Menge los. Wir könnten nicht in den Schlosshof fahren, es sei ein Event mit dem Daimler-Chef, sagt der Security-Typ und weist uns gleichzeitig mit dem ehemaligen Regierungspräsidenten Andriof zurück. Keine Einladung, keine Vorfahrt!
Ich überlege kurz, ob ich mich für das Event und seinen Inhalt interessieren soll und beschließe – nein. Wir fahren los, die B27 hinauf und am riesigen Polizeiaufgebot an der neuen Messe vorbei. Ich erkenne einen Wasserwerfer – ach ja, Afd-Parteitag. Irgendwie passend. Schließlich fahre ich an die Orte, die für das Großwerden dieser „Partei“ eine Rolle spielen, Kosovo, Idomeni, Türkei. Es folgt die zenmäßige Eintönigkeit der Autobahnfahrt auf dem Motorrad. Motorgeräusch unter mir, Lkw rechts, Raser links, schwäbische Alb, München, Alpen. Kurz vor Spittal an der Drau entscheiden wir uns für eine Unterkunft am Weißensee.
Auf einer Brücke über den See bei Techendorf treffen wir auf Darschan (26) aus Bangalore, Indien. Er studiert seit 2 Jahren an der Villacher Fachhochschule Elektrotechnik und ist begeistert von Österreich. Nirgendwo sonst kann er so sehr die Natur erleben, Ski- und Radfahren und gleichzeitig studieren. Wenn er fertig ist, möchte er nach Südamerika, für eine NGO arbeiten.

Nachdem es die letzten Tage noch die eine oder andere Unsicherheit bezüglich der Reise gegeben hatte, scheint nun alles seinen Lauf zu nehmen. Die Referenznummer wird von einer Iranischen Agentur beantragt und das Visum dann in der Iranischen Botschaft in Istanbul ausgestellt. Das Motorrad ist seit gestern wieder in meiner Garage und von BMW Brauneisen reisefit gemacht worden. Zitat Sandro Strohmaier:“Alles was jetzt noch kaputt geht, war nicht zu vermeiden“. Einzig das Wetter spielt irgendwie noch nicht mit. Die Alpenpässe, die ich für die Route durch Österreich vorgesehen hatte, sind alle noch zugeschneit. Der Großglockner ist noch nicht mal geöffnet. Heute habe ich deswegen mit meinem Kumpel Martin telefoniert, der mich die ersten Tage bis nach Montenegro begleiten wird. Wir werden wohl versuchen, von Stuttgart bis an die österreich-slowenische Grenze so schnell wie möglich über die Autobahn zu fahren, in der Hoffnung, dass es dort wärmer wird. Ich mache mich so langsam an die Pack-Logistik und lege mir überall Haufen von Dingen zurecht, die ich nicht vergessen sollte. Samstag früh ist Abfahrt!
Für alle Nicht-Motorradfahrer hier eine Warnung: Es wird etwas techniklastig.
Da ich mein Reisegefährt erst kürzlich gekauft habe und somit noch nicht ausgiebig testen konnte, sind mir dann doch letzte Woche einige Geräusche und Verhaltensweisen aufgefallen, die mir komisch vorkamen. Also nichts wie hin zum BMW-Händler meines Vertrauens, BMW Brauneisen in Wendlingen, um das Bike durchchecken zu lassen. Anschließend die Ernüchterung: Faltenbalge am Kardan rissig und das hintere Federbein quasi ohne Funktion, aufgrund von Ölverlust. Zum Glück ist das Brauneisen Team einfach super und hat mir versprochen, dass sie das in den nächsten Tagen noch einschieben. Nun gibt es folgende Optionen: Ein Willbers – Federbein aus dem Zubehörhandel oder das Originalfederbein, welches mir KTM-Roadstar aufgrund der Gewährleistung reparieren lassen wird. Es wird die erste Lösung werden, trotzdem lasse ich das Original reparieren, um es entweder als Ersatzteil vorzuhalten oder zu verkaufen.
Dass die Vorbereitung einer solchen Reise aufwändig ist, kann sich sicher jeder vorstellen. Da ich in den letzten Monaten noch einige Reisen unternommen habe, konnte ich meinen Pass nicht früher entbehren. Vorletzte Woche habe ich den Visumantrag plus Pass an eine Visum-Agentur geschickt. Was ich nicht wußte: Für ein iranisches Visum benötigt man in jedem Fall eine Referenznummer, die durch das iranische Außenministerium ausgestellt wird. Das dauert in der Regel mehrere Wochen. Anschließend benötigt das Konsulat in Deutschland natürlich auch noch Bearbeitungszeit. Nun muss ich probieren, den Prozess zu beschleunigen, damit alles noch vor der Abreise klappt. Und die Carnet de Passage für das Motorrad gilt es auch noch zu besorgen. Hoffen wir das Beste!
Hat anscheinend einst Konfuzius gesagt. Und so ähnlich kommt mir der Plan meiner Reise manchmal vor. Während hunderttausende Flüchtlinge auf der Balkanroute gen Norden strömen und dabei unzählige Hindernisse überwinden müssen, will ich mich genau in die entgegengesetzte Richtung aufmachen. Ich möchte mit dem Motorrad im Mai von Stuttgart nach Teheran fahren.
Iran? Warum eigentlich Iran? Auf meinen Reisen der letzten Jahre bin ich vielen Backpackern und Abenteurern begegnet. Und wann immer das Gespräch auf den Iran kam, deckten sich die Aussagen von allen, die schon dort gewesen waren. Die Gastfreundschaft der Iraner sei unbeschreiblich, die Leute seien offen und interessiert, das Land habe unbeschreibliche Landschaften zu bieten. Und überhaupt überrasche der Iran durch seine Entwicklung und Infrastruktur. Grund genug, sich selbst ein Bild zu machen.
Um ehrlich zu sein, war ich sogar schon einmal kurz dort. Das war letztes Jahr als Fotograf der Baden Württembergischen Wirtschafts-Delegation mit Nils Schmid. Und ich muss gestehen, dass ich schon ziemlich begeistert war. Um ein Land richtig kennen zu lernen, muss man aber außerhalb der Städte unterwegs sein. In den kleinen Dörfern dazwischen, in denen die Menschen der täglichen Arbeit nach gehen und die eine Kultur ausmachen. Ebenso erhoffe ich mir auf der Fahrt über Land auch einen Einblick in die Region, die ich einst nur durch Karl May kannte und die mir heute als gefährlichste Region meiner Reise erscheint, Kurdistan.
„All Different All Relative“ hatten die beiden Omidvar-Brüder Issa und Abdullah 1954 auf die Kotflügel ihrer Motorräder geschrieben, als sie 1954 auf eine siebenjährige Reise um die Welt aufbrachen um die ersten iranischen Dokumentarfilme von Völkern rund um den Globus zu drehen. In Teheran gibt es ein kleines Museum, in dem Relikte Ihrer Reisen ausgestellt sind und welches ich mir dort ansehen möchte. Auf die Omidvar-Brüder hat mich mein iranischer Freund Ashkan gebracht, und ich hoffe, die beiden Brüder werden mir verzeihen, dass ich mich Ihres Mottos bedient habe, um meinen Blog danach zu benennen.