In der Nacht bekomme ich hämmernde Kopfschmerzen. Der Aufstieg von 1000 Metern in Osh auf 4200 in Murgab war wohl zu viel für mich. Ein erster Versuch mit Aspirin hilft nicht, schließlich verordne ich mir selbst eine kleine Dosis Kortison. Nach vier Stunden ist die Nach für mich vorbei, der Kopf schmerzt nicht mehr, aber ich bin trotzdem gerädert. So rolle ich gegen 8:00 Uhr kyrgisische Zeit (hier oben gelten die Zeiten beider Länder) vom Hof in Richtung Wakhan.

Die ersten 100 Kilometer sind noch Teer, dann biege ich links Richtung Süden auf die Schotterpiste Richtung Wakhan ab. Ich treffe noch einen Jeep mit zwei Russen und einer Französin, dann beginnt wieder die Leere. Es klingt abgedroschen – aber wenn man stundenlang alleine mit dem Motorrad auf 4000 Metern durch diese gigantischen Berge rollt, kommt man sich ganz schön klein vor. Als der Boden etwas sandiger wird, passe ich kurz nicht auf und schon liegt das Motorrad um. Außer meinem Ärger und wieder einem abgebrochenen Zusatzscheinwerfer, ist zum Glück nichts passiert. Nach einer Weile ein militärischer Kontrollposten am Kargush Pass. Ich halte an und gehe zur Hütte, doch sie ist leer. Nur die obligatorische Kladde liegt auf dem Tisch. In der Ferne sehe ich zwei Punkte durchs Tal auf mich zu eilen. Die beiden Soldaten hatten wohl nicht mehr mit Besuch gerechnet.

Am Nachmittag kommen mir dann doch noch Thorsten und seine Frau Beatrice in einem Geländewagen entgegen. Thorsten arbeitet seit einigen Jahren im deutschen Konsulat in Almaty, die beiden machen Urlaub. Eigentlich wollte ich nur bis nach Langar, dem ersten Ort im Wakhan fahren, doch die Beiden schwärmen mir von einem Homestay in Vichkut vor. „Sogar eine richtige Toilette mit Wasserspülung hatten die“, strahlt Thorsten, „und eine warme Dusche!“. Das überzeugt mich. Zudem liegt das Homestay direkt an der Zugangsstraße zum Yamchun Fort und zur Bibi-Fatima Thermalquelle. Als ich die Serpentinen in Richtung Homestay hoch blubbere kommen mir zwei Russen auf BMW’s entgegen. „We just buy Vodka in market!“, ruft mir der Eine zu. „Seven motorcycles up there in hotel at spring, we back in five minutes!“ der Andere. Während ich im Weiterfahren noch überlege, ob ich mich dazu gesellen soll, nähert sich von hinten ein weiteres Motorrad. Es ist David, der Guide der MuzToo-Gruppe, die mir Kamil angekündigt hatte. Im Schlepptau hat er seine knapp 8 Tourteilnehmer und das Begleitfahrzeug. Sie übernachten ebenfalls im Hotel an der Quelle. Ich entscheide mich fürs empfohlene Homestay, in dem schon die Holländer Corin und Rodek eingecheckt sind. Hier an der Bibi-Fatima-Quelle scheint sich der spärliche Tourismus dann doch zu bündeln. Nach dem langen Fahrtag und den wenigen Konversationen der letzten Tage, genieße ich beim Abendessen das lange Gespräch auf Englisch mit Corin und Rodek.

Als ich am Morgen noch den Besuch am Yamchun Fort machen und ein Bad in der Quelle nehmen will, kommt mir dann doch noch Reinhold aus Rosenheim entgegen. Er war die ganze Zeit hinter mir, ist aber deutlich langsamer unterwegs. „Weißt Du, mir als Renter ist egal ob ich einen Tag länger brauche.“ erklärt er. Er hat mittags um 12 seine Tagesetappe schon beendet. Ich möchte noch weiter nach Chorug. Ans alleine Fahren habe ich mich eh schon gewöhnt.

 

 

In Osh übernachte ich für zwei Tage in der kleinen, aber sehr schönen Pension „Zhukovs Guesthouse“ von Nastia und Stas. Am zweiten Tag kommt eine Gruppe kirgisischer und kasachischer Biker vorbei. Sie wollen den Pamir-Highway in einer anderen Route meistern. Bei MuzToo, einer von Schweizern geführten Motorrad-Vermietung, Werkstatt und Tour-Company in Osh, will ich mich nach Streckensperrungen, Erdrutschen oder Ähnlichem erkundigen. Ich treffe nur Mechaniker Kamil an, es ist Samstag. In herrlichem gebrochenen Deutsch mit Schweizer Akzent bestätigt mir Kamil, dass es momentan keine derartigen Meldungen gebe. „Wir haben derzeit eine Tour draußen“, erklärt er mir noch, „sie sind seit vier Tagen unterwegs, vielleicht triffst Du sie auf dem Weg“.

Am nächsten Morgen verlasse ich Osh in Richtung Sarytasch, dem letzten kirgisischen Ort vor der tadschikischen Grenze. Dort treffe ich auf eine riesige Bikergruppe mit 15 Motorrädern. Sie sind international durchmischt, ich schätze das Durchschnittsalter auf Mitte/Ende 50. Mit dabei ein Begleitfahrzeug, welches Gepäck, Ersatzmotorrad und eine verunfallte Fahrerin transportiert. Die Truppe wird von einem englischen Guide geführt, geht von London nach Peking und hat wohl pro Kopf um die 30 000 Euro gekostet. Ein Fahrer mit Dubaier Kennzeichen erklärt mir, die 120 Kilometer Offroad von Langar in Richtung Murgab seien die längsten seines Lebens gewesen. Ich darf mich freundlicherweise zur Abfertigung vordrängeln, außer den Bikern und mir ist niemand hier. Im Niemandsland zwischen den Grenzposten wird es dann zum ersten Mal technisch: Durch einige Bäche und viel Matsch schraubt sich die ungeteerte Piste auf den 4200 Meter hohen Kisil-Art-Pass hoch. Gegen Anfang, als es noch Straße gibt, treffe ich zu meiner Überraschung auf zwei Wanderer: Sergej (25) aus Moskau und seinen Kumpel Yaroslav (19) aus der Ukraine. „We sleep in tent“ erklärt mir Sergej. Ich hoffe für die beiden, dass ihr Abenteuer gut ausgeht, und quäle meine 300 Kilo schwere Maschine weiter den Berg hoch. Am tadschikischen Grenzposten beginne ich, die Höhe zu spüren. Ich fühle mich wie in Trance. Während ich mich als einziger „Gast“ vom Verkehrsbeamten über den Veterinärbeauftragten bis zum Zoll durchschleusen lasse und überall ein paar Dollar abdrücke, nähert sich aus Tadschikistan ein weiteres Motorrad. Ein fahriger Italiener steigt ab, Francesco. Nervös nestelt er seine Papier hervor und erklärt in gebrochenem Deutsch: „Ich bin 65 Jahre, fahre seit 30 Jahren Motorrad, aber so etwas mache ich nie wieder! Ich habe wirklich Angst gehabt, besonders auf der Wakhan-Strecke! Zudem hab ich mein Navi verloren! Schrecklich diese Straße.“ Ob er denn vorher Offroad- Erfahrung gehabt habe, möchte ich wissen. „Nein, aber kennst Du die Südtiroler Pässe?“

Der Beamte hat inzwischen alle meine Daten in seine Kladde per Hand eingetragen und ich darf gehen. „Versprich mir bitte nur, dass Du nicht durch den Wakhan-Korrdior fährst!“, sagt Francesco zum Abschied. Ich verspreche es ihm, fest entschlossen, es dennoch zu tun. Es wird vorerst mein letzter menschlicher Kontakt sein. Vor mir tut sich eine Hochebene auf, die wie aus einer anderen Welt, wie eine Mondlandschaft wirkt. Der Wind pfeift mir eiskalt um den Helm, inzwischen hat es null Grad und ich nähere mich dem Karakul-See. Links von mir verläuft ein endlos scheinender Stacheldrahtzaun, dahinter scheint es nach China zu gehen. Ich bin gute zwei Stunden gefahren. Seit der Grenze bin ich keiner Menschenseele und auch keinem Fahrzeug begegnet. Hier am See gibt es eine wenig einladende Ansammlung von Häusern, Menschen sind dennoch keine zu sehen. Ich entdecke ein Schild „Homestay“, fahre aber weiter. Als ich auf den 4660 Meter hohen Ak-Baital-Pass zusteuere ziehen sich die Wolken zu und das Thermometer fällt auf minus zwei Grad. Dann fängt es an dicke, große Flocken zu schneien. Ich kämpfe mich weiter durch, kann kaum etwas sehen, weil mir der Schnee am Visier fest friert. Eine Stunde geht das so, und ich beginne schon zu überlegen, ob ich genug Sprit an Bord hätte, um mich über Nacht am laufenden Motor zu wärmen, da lichten sich die Wolken und vor mir taucht im Licht der durchbrechenden Sonnenstrahlen ein weißer Kleinbus mit Helmstetter Kennzeichen auf. Drinnen sitzen Mir und seine Frau Nielofar. Sie kommen ursprünglich aus Afghanistan und sind Tajiken. Sie möchten nach der Runde durch den Pamir nach Mazar-e-Sharif in Afghanistan fahren, um den Wagen dort Verwandten zu schenken und nach Hause zu fliegen. Die beiden sind ebenso glücklich mich zu sehen, wie ich sie! Einige Stunden später sitzen wir mit einer Handvoll anderer Reisender im Speiseraum des einzigen „Hotels“ in Murgab. Es gibt noch ein Ulmer Paar mit Expeditions-Unimog, einen Fahrradfahrer aus England, ein spanisches Ehepaar aus Mallorca die mit Chauffeur unterwegs sind und zu meiner Freude drei Motorrad-Fahrer aus Slowenien. Die drei kommen aus dem Wakhan-Korridor und sind entgegen gesetzt meiner Richtung gefahren. „Eigentlich ist es nicht so schwer, ein paar Stellen mit tieferem Sand, leichte Gewässerdurchquerungen, sonst geht es“, sagt mir der Älteste der drei. Dann fügt er noch hinzu: „Ich bin zwei mal im Sand umgefallen, stell Dich darauf ein.“ Ich hatte gehofft mich, vielleicht mit anderen Reisenden zusammenschließen zu können, doch in meiner Richtung ist schlichtweg keiner unterwegs. Die Ulmer haben wohl einen allein reisenden Rosenheimer Motorradfahrer in meiner Richtung gesehen, doch keiner weiß, wo der abgeblieben ist.

 

 

Es läuft prächtig. Ich bin seit einigen Stunden unterwegs, habe die kirgisische Grenze ohne Probleme passiert und Bischkek erfolgreich umfahren. Bis jetzt führt die Straße durch eine ebene Landschaft, ab und zu passiere ich ein Dorf, Geschäfte, Tankstellen. Doch nun tauchen die ersten Berge am Horizont auf, ich komme an eine Mautstation. Umgerechnet fünf Dollar muss man für die kommende Strecke berappen. Langsam beginnt die Straße, sich die Berge hinauf zu winden. Über die erste Herde Schafe, die die Straße blockiert, amüsiere ich mich noch. Nach der zehnten gewöhne ich mich daran. Ich fliege begeistert durch die Kurven, stets achtsam ob der massenhaften Schlaglöcher. Als erstes erklimme ich den To Ashu Pass. In 3400 Meter Höhe führt die Passstraße durch einen unbeleuchteten staubigen Tunnel. Allein der Tunnel ist ein Abenteuer für sich: Man sieht die Hand vor Augen nicht, gelegentlich haben die entgegen kommenden Trucks nicht einmal Licht an. Es wird empfindlich kalt hier oben, auf der anschließenden Hochebene pendelt sich die Temperatur auf 2000 Meter Höhe bei 8 Grad ein. Schließlich steigt die Straße zum zweiten Pass an, dem 3175 Meter hohen Ala-Bel. Der Himmel zieht sich zu, und während ich an Höhe gewinne, fängt es bei 3 Grad an zu regnen und anschließend zu schneien an. Es ist jetzt fast halb neun Uhr Abends und selbst Trucks sind keine mehr unterwegs. Ich habe mir zu viel vorgenommen. Umziehen würde auch nicht mehr helfen, so durchnässt wie ich bin. Nach einer halben Stunde Abwärtsfahrt ist ein Hostel angeschrieben. Ich biege sofort ab und genieße 20 Minuten später die heiße Dusche.

Am nächsten Morgen werde ich vom strahlenden Sonnenschein begrüßt. Um halb neun rolle ich durch die frische Morgenluft die Straße hinab geradewegs auf den Tok-Tagul See zu. Die Landschaft ist atemberaubend. Vorn der tiefblaue See und dahinter die verschneiten Pamir-Gipfel. Die Straße ist gut, es ist sogar wieder etwas wärmer. Während ich die nächste Bergkette erklimme, die mich von den kirgisischen „Lowlands“ trennt, bemerke ich einen weißen Honda, der mich zu verfolgen scheint. Normalerweise bin ich deutlich zügiger unterwegs als die vielen Lastwagen und alten Kisten die hier die Straßen bevölkern, doch der Wagen lässt sich nicht abschütteln. An einer Steigung kann ich ein paar Trucks überholen und der Wagen bleibt zurück. Als ich bei Tash-Kumir kurz anhalte, um am Navi etwas einzustellen, hält neben mir mit quietschenden Reifen – der weiße Kleinwagen. Drei Männer steigen aus und umrunden mein Motorrad. Jetzt wird mir klar: Sie wollten nur schauen, wer oder was da durch ihr Land fährt. Natürlich sprechen sie nur Russisch, Kirgisisch und Usbekisch, also radebreche ich auf Russisch. Sie kommen aus Bischkek und haben dort auf dem Bau gearbeitet. Alisher, Machmud und Akram sind Nachbarn, leben in der Provinz Dschalalabad und fahren übers Wochenende zu ihren Familien. Alisher scheint der älteste der Drei. „Plov! Usbek Plov!“ bedeutet er mir. Ich vermute, er möchte mich zum Essen einladen und nehme dankend an. Ich solle ihnen die kommenden 100 Kilometer hinterher fahren, erklärt er mir. Zwischendurch machen wir Halt und ich bekomme in einem Dorf ein Getränk aus Kefir und Getreide gereicht. „Gegen die Hitze!“, sagt Akram. Es hat inzwischen 30 Grad.

Als wir die drei Gehöfte der Männer erreichen, staune ich. In den Innenhöfen sind Gärten angelegt mit allem, was das Herz begehrt. Gurken, Tomaten, Zitronen, Kirschen wachsen dort und vieles mehr. Außerdem haben sie Hühner, Kühe, Hasen und ein paar Lämmer. „Alles ökologisch!“ zwinkert mir Machmud zu. Die drei Familien sind komplette Selbstversorger. Aus dem Kofferraum des Honda werden nun auch die Henne, die 12 Küken und drei Hasen befreit, die sie aus Bischkek mitgebracht haben. Alishers Frau wurde bereits per Handy vorgewarnt und die Berge aus duftendem Reis und Lammfleisch warten bereits auf dem Wohnzimmertisch auf uns.  Ich lerne, dass ich bei Usbeken gelandet bin, die in Kirgistan leben. Alisher ist 49 und fünffacher Großvater. Zur Soviet-Zeit hat er als Offizier in der russischen Armee gedient. Er war sogar auf Kuba. Alles erinnert mich sehr an Afghanistan, die Frauen essen nicht mit. es gibt aber einen Unterschied: Sie haben mir völlig unverhüllt und entspannt die Hand gegeben und für die Fotos posiert. Ich bin überwältigt von der spontanen Einladung und habe fast ein schlechtes Gewissen, da ich nicht weiß, wie ich mich dafür revanchieren kann. Als die Uhr schon nach 18 Uhr zeigt, muss ich aufbrechen. Ich möchte Osh noch bei Tageslicht erreichen. Ich verspreche alle Fotos per WhatsApp zu schicken und auf dem Rückweg zumindest zu versuchen, vorbei zu schauen.

Bis gerade eben lief alles wie am Schnürchen. Landung am Sonntagabend, schönes AirBnB-Apartment und gleich am Montagmittag ab zu Kärcher Kasachstan. Dort erscheint meine „alte Lady“ genau wie ich sie abgestellt hatte, hinter den Kisten im Container. Alexander, der Chef, hat sich persönlich um meine Batterie gekümmert und sie laden lassen. Das Motorrad springt sofort an, wunderbar! Doch nun stehe ich einige Stunden später vor der KTM-Niederlassung in Almaty, bei der ich meine Reifen bestellt hatte  – und es gibt die Niederlassung nicht mehr. Die Email, die Webseite, überall finde ich die Adresse vor der ich mich befinde. Ich bemühe meine paar Brocken russisch und versuche die Schilder an der verlassenen Gewerbe-Immobilie zu entziffern. Ich erkenne eine Adresse und hoffe, dass das Geschäft nur umgezogen ist. Die OSM-Karte die ich diesmal auf das Navi geladen habe scheint nicht routingfähig und Hausnummern sucht man in Alamty meist vergeblich. So bleibt mir nur, den ewig langen Prospekt Ryskulova (so heißt die Umgehungsstraße), erst in die eine und dann die andere Richtung abzufahren, bis ich endlich das KTM-Orange durch die Bäume blitzen sehe. Wie ich später lerne, muss man in Almaty die Karten-App 2GIS benutzen, um Adressen zu finden, alles andere ist nutzlos. Immerhin sind meine Reifen  da und Andrey, der Chef der Niederlassung, erklärt entschuldigend, dass sie vor einer Woche erst umgezogen sind. Deswegen kann er sie auch nicht montieren lassen. Aber er zückt gleich sein Handy und ruft einen befreundeten Hinterhof-Schrauber an. Er heißt Wolodja.

Am nächsten Tag kämpfe ich mich wieder orientierungslos durch den lärmendem Verkehr, bis ich Wolodjas Verschlag im äußeren Ring der Stadt finde. Er ist eine netter Kerl und spricht auch drei Sätze Englisch. Während er sich um die Reifen und Öl kümmert, repariere ich einen abgebrochenen Zusatzscheinwerfer. Drei Stunden später bin ich mit dem frisch gewarteten Motorrad wieder auf der Suche. Ich benötige noch eine Sondergenehmigung für die Provinz Badhakshan in Tadschikistan. Nachdem ich als einziger „Gast“ eine Stunde im Wartezimmer der tadschikischen Botschaft gewartet habe, und man zwei stockbesoffene Tadschiken wieder fort geschickt hat, bekomme ich schließlich den Stempel in den Pass. Ich bin völlig erschöpft vom Orientieren und zeitumstellungsbedingten Schlafmangel und beschließe, mir noch einen Extra-Tag in Almaty zu genehmigen, um noch etwas zu chillen und vernünftige OSM-Karten herunterzuladen. Am Donnerstag will ich dann früh los in Richtung Kirgistan.

 

Pamir

Mir zieht sich der Gaumen zusammen, und ich unterdrücke den Brechreiz. Widerlich schmeckt die Lösung, mit der man den Cholera-Impfstoff herunter spülen soll. In zehn Tagen ist es wieder soweit: Ich kehre zurück zu meinem Motorrad nach Almaty. Nachdem die Route eigentlich nach einem kurzen Schlenker durch Kirgisistan recht schnell wieder gen Norden führen sollte, habe ich mich in den letzten Tagen umentschieden. Nach einigen E-Mails mit Lea Rieck, einer Münchner Journalistin, die auch gerade auf Welttour mit dem Moped ist, habe ich beschlossen, Tadschikistan und den Pamir-Highway doch noch einzuplanen. Zu schön soll der Pamir sein, als dass ich mir die Strecke durch den Wakhan-Korridor entgehen lassen möchte. Und das habe ich eigentlich aus eigener Anschauung schon gewusst. Denn vor exakt zehn Jahren war ich das erste Mal in Afghanistan auf Reportage-Reise. Damals fotografierte ich mein erstes Buzkashi-Turnier auf der Hochebene des Shive-Sees auf der afghanischen Seite von Badhakshan und war fasziniert von der rauen Schönheit dieser Gegend. Der Pamir-Highway führt keine 20 Kilometer östlich des Sees, entlang der tadschikisch-afghanischen Grenze daran vorbei. Also kurz noch das tadschikische Visum per Internet beantragt und den Impfstatus aufgefrischt. Die Ersatzteile für die BMW liegen bereit, und die Kamera-Ausrüstung ist komplettiert. Mich erwarten die Fünftausender des Pamirs, Homestays ohne fließend Wasser und die Jurten der Hirten, die dort ihre Viehherden durch die Berge treiben. Zwei Wochen will ich mir für den Südteil der Reise nehmen, bevor es dann Richtung Altai und Baikal-See gehen soll.

 

Winterpause in Almaty

In Almaty komme ich in einer Einliegerwohnung von Irina unter. Ihre Familie stammt aus Kasachstan. Bis 1989 gab es einige deutsche Siedlungen rund um Almaty. Die meisten Deutschen sind nach dem Zerfall der Sowjetunion in die Heimat ihrer Vorfahren zurück gekehrt. Irina hat sich bewusst dagegen entschieden. Sie hat es über die Jahre mit ihrem Mann zu mehreren Autowerkstätten und ein paar Bekleidungsläden gebracht. „Was soll ich in Deutschland“, sagt sie achselzuckend, „soll ich dort putzen gehen?“ Hier in Almaty gehe es ihr gut, in Deutschland spreche sie nicht mal mehr die Sprache. Die Unterlagen die sie zur Staatsbürgerschaft berechtigen, hebt sie trotzdem noch auf. Viele ihrer Verwandten verstehen Ihre Entscheidung nicht, haben sich von ihr abgewandt, erzählt sie weiter. Sie ist eine der letzten Zurückgebliebenen der ehemaligen deutschen Diaspora in Kasachstan.

Etwas später bin ich mit Pavel verabredet. Er ist Direct Sales Director der kasachischen Auslandsgesellschaft der Kärcher Gmbh & Co. KG. Pavel ist russischer Abstammung, jedoch in Qostanai im Norden Kasachstans geboren. Ob er eine Möglichkeit sehe, mein Motorrad irgendwo in Almaty unterzubringen, frage ich. „We have a container in the backyard. If your bike isn’t too big, it will be no problem“, antwortet er mir. Ich hatte zwar noch den Kontakt zu einigen Hinterhof-Schraubern in Almaty, die mir ebenfalls angeboten hatten, das Motorrad zu parken, doch die Lösung bei Kärcher erscheint mir deutlich vertrauenserweckender. Am nächsten Tag fahre ich noch zur Zollbehörde. Als ich dem Beamten mein kyrillisches Einfuhr-Papier für das Motorrad vorlege, entgegnet er mürrisch: „Was ist ihr Problem, das Papier ist gültig bis 08.08.2017“. Perfekt! Nun noch schnell das Motorrad reinigen lassen, natürlich nur beim Kärcher-Vertragspartner, und ab damit in den Container. Pavel ist super hilfsbereit, bietet mir sogar an, die Batterie mit ins Büro zu nehmen und im Winter zu laden. Ich verabschiede und bedanke mich mit einem Abendessen in einem russischen Restaurant und einigen Samogons (edler Vodka-Hausbrand). Im Frühjahr werde ich zurück kehren und die Reise fortsetzen.

 

Ankunft in Almaty

Von Qysylorda sehe ich nicht mehr als das Hotel. Ich muss schlafen. Nach Shymkent sind es gerade mal 450 Kilometer: ein Katzensprung, denke ich. Als ich ungefähr die Hälfte hinter mich gebracht habe, traue ich meinen Augen kaum. Das erste Gewitter, seit ich in der Türkei los gefahren bin, scheint aufzuziehen. Wenig später kämpfe ich mich durch Regen und Hagel. Aber genau so schnell, wie es angefangen hat, ist es wieder vorbei. Bei den hier üblichen 38 Grad bin ich schnell wieder trocken. In Shymkent ist die Nähe zu Kirgistan und Usbekistan gleich zu spüren. Die Stadt wirkt weltgewandter, als die bisherigen Orte. Gleich gegenüber ist ein Jahrmarkt, auf dem sich viele Urlauber aus den Nachbarländern zu tummeln scheinen. Ich schlendere über den Rummel und nehme mir endlich ein bisschen Zeit zum Fotografieren. Am nächsten Tag steht die letzte Etappe nach Almaty an. Ich sitze mit gemischten Gefühlen auf dem Motorrad. Ich freue ich mich auf Erholung und habe gleichzeitig etwas Katerstimmung, weil die Reise vorerst vorbei sein wird. Ziemlich müde und unkonzentriert rolle ich dahin und – zack – fahre dann doch noch in meine erste Polizei-Falle in Kasachstan. Ich übersehe ein eigens aufgestelltes 60er Schild und fahre mit vollen 90 Stundenkilometern in die Kontrolle. Alles läuft ab, wie mir berichtet wurde. Erst werden die Augenbrauen hochgezogen. Dann darf ich zum Kommandanten ins Auto steigen. Er zeigt mir ein Formular, das er jetzt wohl ausfüllen könnte, und bedeutet mir, dass es dann rund 40 000 Tenge, also umgerechnet 100 Euro, kosten würde. Nun kommt die bedeutungsschwangere Geste, bei der Daumen und Zeigefinger aufeinander reiben und er sagt „Money, Money“. Ich öffne meine Geldbörse und muss fast lachen: Ich habe noch 1000 Tenge (2,50€) und ein paar Devisen aus der Türkei, Georgien und Russland darin. Als ich ihm meinen Geldbeutel hin strecke und ihn auffordere, sich zu bedienen, fischt er sich grummelnd die 2000 Rubel (26€) heraus, die ins Auge stechen. Dann schimpft er mich mit einem „Dawai“ aus dem Auto.

Je näher ich Almaty komme, desto mehr verändert sich die Landschaft. Endlich sehe ich wieder Berge am Horizont, teilweise schraubt sich die Straße auf 1000 Meter hoch. Es wird kühler und dadurch angenehmer. In der Dämmerung erreiche ich schließlich die fast europäisch anmutende Großstadt. 5450 Kilometer habe ich in den vergangenen zehn Tagen zurück gelegt. Dabei saß ich knapp 72 Stunden auf dem Motorrad und habe etwa 270 Liter Benzin verfahren. Es hat mir oft leid getan, so wenig Zeit an den Orten dazwischen verbringen zu können.

Schiffsfriedhof

 

Die Sonne brennt unerbittlich, um mich herum höre ich nichts außer dem in der Hitze knackenden Metall des Schiffswracks. Der heiße Wind wirbelt hin und wieder etwas Sand auf, aus der Ferne betrachten mich ein paar Kamele skeptisch. Von Pen hatte ich die Koordinaten zu einem der Schiffsfriedhöfe auf dem Gebiet des ausgetrockneten Aralsees erhalten. Als ich mir die Strecke auf dem Navi ansehe, scheint mir ein kleiner Abstecher vor meiner Weiterreise nach Qysylorda durchaus realistisch. Erst knapp 70 KIlometer Schotterweg in Richtung Zahlanasch, dann noch einige Kilometer Offroad. Mittags sollte ich zurück in Aralsk sein. Ich breche früh morgens mit etwas Kopfschmerzen von der vorherigen Nacht und ohne Frühstück auf. Ich habe ja Kekse dabei. Auf dem Schotter lasse ich es laufen, genieße bei 90 Stundenkilometer das Ralley-Gefühl. Die Spur bis zum Schiffswrack ist zwar schon etwas versandet, einmal muss ich das Motorrad neu ausrichten, sonst aber kein Problem. Nun stehe ich unter dem Wrack, das interessant aber auch gruselig anmutet. Fast wie aus einer Szene bei MadMax. Ich schieße ein paar Fotos, stelle mir vor, wie es wohl gewesen sein muss, als hier noch munter die Fische schwammen und Schiffe von dieser Größe fahren konnten. Im Gras liegen alte Fischernetze. Unter dem Wrack stinkt es ziemlich nach Kamel. Sie haben hier den einzigen Schattenplatz weit und breit für sich entdeckt.

Die Fahrspur auf der ich her gekommen bin, führt noch weiter um die nächste Anhöhe herum. Laut der Karte müsste dahinter irgendwo der noch übrig gebliebene Rest vom See beginnen. Ich beschließe, dem Pfad zu folgen. Ein Bad im Aralsee wäre schone etwas. Der Weg wird sandiger und ich merke, wie meine Straßenreifen immer wieder schlingern und durchdrehen. Ich fahre trotzdem weiter, umdrehen kann ich in der tiefen Fahrspur sowieso nicht mehr. Nach einiger Zeit kommt mir das einzige Fahrzeug des Vormittags entgegen. Ein alter russischer Allrad-Jeep, drinnen sitzen ein paar Jugendliche. Ich komme aus der Spur nicht heraus, kann nicht ausweichen. Der Fahrer stößt zurück und lotst mich in eine Fahrspur die zur Seite führt. Natürlich wollen die Jungs wissen, was ich hier will. Ich deute fragend in Richtung der Anhöhe, der Teenager macht Schwimmbewegungen und nickt. Ich scheine auf dem richtigen Weg zu sein. Erst als die Kasachen bereits abfahren, wird mir klar, dass ich durch das Ausweichen in ein Sandloch geraten bin. Mein Hinterrad gräbt sich beim Anfahren tiefer und tiefer ein. Die Kasachen sind bereits außer Sichtweite, mir bleibt nichts übrig als mich alleine heraus zu manövieren. Ich schnalle das Gepäck ab, und grabe mit den Händen das Hinterrad aus. Nach 20 Minuten steht das 260 Kilogramm schwere Motorrad wieder in der Spur, und ich bin schweißgebadet. Der Weg wird allerdings immer schlimmer. Ich verliere die Kontrolle und stürze. Das Tückische ist, dass man im Sand Vollgas geben muss, um das Motorrad vor dem Einsinken zu bewahren. Immer wieder grabe ich das Motorrad aus. Mich verlassen die Kräfte, auch habe ich nur noch einen Liter Wasser. Als ich ohne Helm und im T-Shirt stürze und auf dem Sandboden aufschlage, wird mir klar, dass ich umkehren muss. Bis jetzt hab ich nur blaue Flecken, doch sollte es schlimmer kommen, wird es Stunden dauern bis das nächste Fahrzeug vorbei kommt. Und ohne vernünftige Stollenreifen habe ich unter diesen Bedingungen keine Chance.

Einige Stunden später erreiche ich wieder das Schiffswrack. Auf dem Rückweg nach Aralsk bin ich dermaßen benommen, dass ich den Vogel gar nicht bemerke, den ich später aus meinem Fahrwerk ziehe. Am Motorrad ist soweit alles in Ordnung, einer der Zusatzscheinwerfer ist abgebrochen. Ich peppe mich mit ein paar Energy-Drinks auf, die 400 Kilometer nach Qysylorda lassen sich dagegen leicht herunterspulen. Als ich in der 720.000 Einwohner zählenden Stadt ankomme, gibt es Schaschlick und Bier. Ich spüre jeden Knochen.

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

Schiffswrack am ausgetrockneten Aralsee

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Auf dem Grund des ausgetrockneten Aralsees

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Auf dem Grund des ausgetrockneten Aralsees

Auf dem Grund des ausgetrockneten Aralsees

 

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Durch die Wüste

Die Etappe in Richtung Aralsk hat mir am meisten Sorge bereitet. Man fährt praktisch durch die Wüste, die den Aralsee von Norden her Stück für Stück verlanden läßt. Nicht zuletzt, weil Kasachstan und Usbekistan den Zufluss zum See für den Baumwoll-Anbau abschöpfen. Auf den mehr als 600 Kilometer zwischen Aqtöbe und Aralsk gibt es keine Tankstelle und nur wenige Rastplätze. Laut verschiedener Berichte im Internet soll die Straße in furchtbarem Zustand sein. Ein Trucker erklärt mir aber: „No, no, road very good, I put Autopilot and you can sleep. All straight.“ Ich weiß nicht, ob ich beruhigt sein soll, weil die Straße gut ist, oder beunruhigt, weil die Trucker schlafen. Ich mache an der vorerst letzten Tankstelle halt. Die Kassiererin nickt bestätigend: „Yes, full, full“ – und ab geht´s in die Wüste. Die „furchtbare“ Straße entpuppt sich als wunderbar neu ausgebaut, mich juckt es in den Fingern und so fliege ich mit 150 Sachen Richtung Aralsee. Hier wird es die Polizei wohl nicht so genau nehmen. Ich durchquere einen Steppenbrand, schaue den Kamelen beim grasen zu, passiere Lastwagen mit geplatzten Reifen.

Gegen 18 Uhr suche ich das einzige Hotel in Aralsk. Zwei Frauen in Flirtlaune erklären mir kichernd den Weg. Sie sind 37 und 35 und arbeiten in der einzigen Bank des Ortes. „When we born, the sea was 20 kilometers away, now maybe 40“, erklärt mir die eine. In den 1960er Jahren hatte der Ort sogar noch einen Hafen, und die Einwohner lebten von der Fischerei. Jetzt gibt es nur Staub, Hitze und eine Güterzugstrecke, die hindurch führt.

Das Hotel ist eine Absteige, doch es gibt keine Alternative. Aus dem Flur ertönt Aussi-Englisch. Wenig später sitze ich im „Biergarten“ am einstigen Ufer des Sees mit Ben aus Australien und Pen(-elope) aus Canada. Die beiden sind mit einem Ford Fiesta unterwegs und wollten eigentlich in die Mongolei. Sie sind von Aktau zusammen mit anderen Abenteurern, die in Allradfahrzeugen unterwegs waren, den direkten Weg durch die Wüste gefahren. Entsprechend zugerichtet ist der Fiesta jetzt – ein Totalschaden. So müssen sich die beiden überlegen, was sie mit dem Schrotthaufen anstellen und wie sie Ihre Reise fortsetzen. Während Penelope sich ausruhen möchte, erkunden Ben und ich das Nachtleben von Aralsk. Wir landen in der scheinbar einzigen Disko und beobachten das Balzverhalten der hiesigen Jugend. Ich schreie Ben bei lauter Dance-Musik ins Ohr: „Imagine you would grow up here! This would be your world, this would be where you’d find your wife, your job, your everything.“ Die Vorstellung, in dieser menschenfeindlichen Umgebung zu leben, nötigt uns Respekt ab.

 

Nach der anstrengenden Nachtfahrt, beschließe ich in Astrachan einen Tag zu pausieren und mich etwas auszuruhen. Ich genieße die Vorzüge des Hotels einer westlichen Kette und versuche, mich an die tägliche Zeitumstellung zu gewöhnen. Mit fast jedem Tag, den ich weiter in den Osten vordringe, verliere ich eine Stunde. Als ich mich an der Rezeption auf Englisch nach den Straßenverhältnissen in Kasachstan erkundigen möchte, stellt sich heraus, dass die junge Frau fließend Deutsch spricht. Irina (26) wurde ursprünglich in Kaliningrad geboren, lebt aber schon fast ihr ganzes Leben mit der Familie in Astrachan. In der Schule gab es eine engagierte Lehrerin, die sich für den Deutschunterricht eingesetzte, und so zieht sich das Thema Deutschland durch Ihr Leben wie ein roter Faden. Inzwischen hat sie die Fremdsprachen Deutsch und Englisch, außerdem Betriebswirtschaftslehre studiert. In Deutschland war sie schon oft, zum ersten Mal mit 15 beim dreimonatigen Schüleraustausch in Schwerin, zuletzt zweimal mit dem pädagogischen Austauschdienst in Göppingen. Dort unterrichtete sie jeweils ein knappes Jahr Russisch am Hohenstaufen-Gymnasium. Sie hat sogar einen schwäbischen Zungenschlag. Während wir zum 2007 erbauten Musiktheater schlendern, erzählt sie, dass sie neben der Arbeit im Hotel noch mit Führungen für Flusskreuzfahrt-Touristen Geld verdient. Astrachan liegt am Wolga-Delta. „Die Opas und Omas vom Schiff machen schon Spaß“, sagt sie. Aber europäischen Militärattaches die Stadt zu zeigen und für sie zu übersetzen, fände sie reizvoller. Dann schickt sie mich in Richtung Kremlin – die wunderschöne Innenstadt Astrachans sehe ich mir in der Abenddämmerung an.

Dass es heiß werden würde, war mir klar. Ebenso dass die Straßen schlecht sein würden, hatte ich gehört. Doch die Straße zwischen Astrachan und Atyrau gleicht einer einzigen Mondlandschaft. Es gibt Schlaglöcher, so groß dass man drin baden könnte. Das Thermometer pendelt sich zwischen 37 und 39 Grad ein, dabei muss ich hochkonzentriert bleiben. Als ich am Abend in Atyrau ankomme, habe ich den ganzen Tag für gerade einmal 300 Kilometer gebraucht. Die Zeit reicht noch, um einen kurzen Spaziergang entlang der Promenade zu machen. Atyrau lebt von der Ölindustrie. Auf dem Weg habe ich dutzende Förderanlagen gesehen. Deshalb hat die Stadt für kasachische Verhältnisse fast ein internationales Flair. Es gibt sogar Leute, die Englisch sprechen. Nachdem mir fast alle bestätigt haben, dass die Straße zwischen Makat und Aqtöbe unpassierbar ist, gebe ich mich geschlagen: Ich nehme den 500 Kilometer langen Umweg über Oralsk.

Am nächsten Morgen klemme ich den Gasgriff bei 90 Stundenkilometer fest, mehr ist in Kasachstan sowieso nicht erlaubt, und verbringe den ganzen Tag auf dem Motorrad. Ich esse, trinke, höre Musik, Hauptsache die Fuhre rollt. Entgegen aller Warnungen, die ich vorher bekommen hatte, werde ich nicht ein einziges Mal von der Polizei kontrolliert. An einer Tankstelle unterhalte ich mich mit einem jüngeren Pärchen auf Englisch. Sie wollen nach Georgien zum Scorpions-Konzert. 3000 Kilometer nehmen sie dafür auf sich. Gegen 22 Uhr und 1000 Kilomerter später rolle ich ins Zentrum von Aqtöbe und versuche im Dunkeln die kyrillischen Buchstaben für Gostiniza, sprich Hotel, zu entziffern.